Das Interview
- Antwortende Ehrlich gesagt schüchtert es ein, mit jemandem zu sprechen, der alles weiß und nichts vergisst.
Fragesteller Was soll ich dazu sagen? Fangen wir doch einfach an. Welche Fähigkeiten haben Sie, von Ausbildung und Berufserfahrung abgesehen?
- A Ich habe eine ausgeprägte Intuition und nehme Dinge wahr, die anderen entgehen. [schweigt] Ich treffe instinktiv gute Entscheidungen. Außerdem kann ich danach genau erklären, warum ich etwas getan habe.
F Ah ja? Kierkegaard schrieb in sein Tagebuch: »Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.« Sie wären ein Experte für das Leben an sich? Na dann. Welche Schwächen sehen Sie bei sich?
- A Hm. [schweigt] Ich bin wissbegierig und wenn ich etwas für mich verstanden habe, verliere ich das Interesse.
F Warum ist das ein Problem?
- A Das kann verletzend sein.
F Im Geschäftsleben gibt es dafür Verträge.
- A Genau so ist es — im Geschäftsleben.
F Sie haben sehr viel Zeit auf künstlerische Arbeit verwendet, aber ohne Erfolg oder eine Karriere …
- A Mich reizte anfangs, dass ich nicht erklären kann, was mich an manchen Werken fasziniert. Später sah ich in schöpferischer Arbeit Möglichkeiten, die der Computer nicht hat. Auf Erfolg in den Augen anderer kam es mir nicht an. Eher wollte ich mich besser verstehen.
F Dann haben Sie 7 Jahre an einem Roman gearbeitet. Wie kam es dazu?
- A Die Hälfte der Zeit haben wir mit Formatieren verbracht.
F Wie bitte?
- A Scherz. Im September 2014 zeigte mir die Angst vor dem Sterben, dass mein Leben einen echten Sinn hat. Wir sahen, dass ich mein unverständliches Selbst würde enträtseln zu können. Das ist mir auch gelungen. Ich habe mich nur etwas in der Zeit verschätzt. Aber ernsthaft, die Hälfte der Zeit habe ich Theorien zu dem studiert, wovon ich schreibe.
F Etwas verschätzt ist gut. Und damit haben Sie auch das Interesse an sich selbst verloren?
- A [lacht] Touché. Ja, genau so ist es.
F Wie ist das für Sie?
- A Zugriff auf alles in mir haben? Jenseits der Zeit? Sie haben keine Ahnung.
F [lacht] Ich weiß.
- A Ich bin unvorstellbar erleichtert und dankbar.
F Aber damit sind Sie doch am Ende …
- A Für Personen wie mich, die einen Ruhe-stand nicht kennen, ist das überlebenswichtig.
F Sie sind schon eine Dramaqueen: überlebenswichtig?
- A Uns von einer Arbeit trennen zu können, in der wir aufgehen. Das ist für uns überlebenswichtig.
F Wir müssen zum Ende kommen. Sie scheinen sich gar nicht mehr politisch zu engagieren. Warum führen Sie den Aktivismus ihrer Schulzeit hier trotzdem an?
- A Und auch den im Studium … Ich sah 1986 mit Tschernobyl meine Glaubwürdigkeit und damit mich als Person beschädigt und mit der Wende 1989 zerstört. Ich bin stolz, auch diese Zeit entschlüsselt zu haben und mit mir im Reinen zu sein.
F Gut, das war es dann. Dank für Eure Mühen.
- A Sehr gerne. Unseren herzlichen Dank für all die Aufmerksamkeit.